“Wie funktioniert Magie?” Eine Frage, die wohl so alt wie die Zivilisation ist und wegen der schon die alten Elfen und nach ihnen auch die Menschen ganze Bibliotheken gefüllt haben, um sie zu beantworten.
Doch die viel spannendere Frage lautet doch eigentlich: “Warum funktioniert Magie?”
Dafür müssen wir erst einmal klären, was Magie eigentlich ist. Im Grunde ist es einfach nur der Wille. Der Wille etwas zu erschaffen, der Wille etwas zu verändern und manchmal auch der Wille etwas zu zerstören. Und wenn dieser Wille stark genug ist, nimmt er manchmal eine Form an, hat eine sichtbare Wirkung auf die Welt um uns herum. Dann sprechen wir von Magie.
Magie existiert, weil die Götter es wollen. Die Magie ist etwas inhärent göttliches und wir Sterblichen können sie nur in begrenztem Maße verstehen und nutzen. Die Magie kommt von den Göttern selbst.
Janás, der fünfte der Neun, gab der Welt die Magie und er verfügte, dass sie uns zu nutzen sein soll und so geschah es. Doch Magie in ihrer rohen, ungebändigten Form ist nur den Wenigsten von uns zu nutzen. Ja, es gibt sie, eben jene Individuen, deren Wille alleine so stark ist, das er die Magie formen kann und ihnen verdanken wir, dass wir sie heute beherrschen können.
Doch sie waren schon immer und sind es heute mehr denn je, die Ausnahme unter den Wirkern der Magie. Fast ein jeder, der heutzutage Magie wirkt, tut dies mit der Hilfe von Zaubersprüchen. Worte der Macht, die die Energie in eine festgelegte Bahn zwingen, deren Auswirkung immer gleich bleibt.
Doch diese Worte funktionieren nur, weil die Götter es so fügten. Und es war nicht Janás, der dies tat, zumindest nicht direkt.
Cha-Gala ist vielen bekannt als der Gott der Zeit, doch er nimmt auch eine weitere, ebenso bedeutende Rolle ein. Er ist der Gott der Sprachen und der Schriften. Dass ich dazu in der Lage bin, diese Abhandlung hier zu verfassen und Ihr, verehrter Leser, die Möglichkeit habt, sie zu lesen, zu verstehen und mit Euren Vertrauten darüber zu diskutieren, verdanken wir der Gnade Cha-Galas.
Und Zaubersprüche sind ein Zusammenspiel aus beiden. Magie und Schrift. Janás und Cha-Gala. Zusammen ergeben sie etwas Neues.
Khyra, die Göttin der Runen. Die Tochter von Janás und Cha-Gala. Sie war es, die als erstes die Geschenke ihrer Väter zu etwas Neuem verwoben hat. Sie war es, die uns die Runenschrift gab, in der alle Zauber niedergeschrieben werden. Ohne sie könnten wir die Magie nicht so nutzen, wie wir es tun.
Und trotz allem scheint sie niemand zu kennen. Doch weshalb ist dies so?
Nun, dies ist wohl einfach das Schicksal der “niederen Götter”, wie sie im Volksmund genannt werden. Während die Neun sich der Verehrung der ganzen Welt erfreuen können, haben die niederen Götter nur wenige, die sie anbeten.
Der Grund dafür ist jedoch simpel: Die Neun verkörpern alle Konzepte, die aus unserem Leben kaum wegzudenken sind. Dies mag auf den ersten Blick seltsam erscheinen, da Janás und Khyra sich so ähneln, deswegen erlaubt mir dies zu erklären.
Janás verkörpert die Magie an sich. Magie ist in allem. Ohne Magie gibt es kein Leben. Khyra verkörpert die Beherrschung der Magie. Die allermeisten Menschen sind nicht dazu ausgebildet, Zauber zu wirken, weshalb sie dementsprechend auch weniger verehrt wird.
Jemand der sein ganzes Leben in Kronwall verbracht hat wird wohl auch dem Gott der Meere wenig Beachtung schenken, aber Ihr könnt sicher sein, das ein jeder Seemann zumindest schon ein Stoßgebet zu Sal geschickt hat, wenn die See besonders stürmisch war.
So ist es auch mit Khyra. Unter Zauberern ist sie sehr geachtet und ich habe selbst schon manch einen Turm besucht, der zumindest einen kleinen Schrein zu ihren Ehren beherbergte. Wer nun jedoch einen ihrer Tempel aufsuchen möchte, dem sei gesagt, dass er dafür die lange Reise bis nach Milan auf sich nehmen muss.
Der einzige mir bekannte Tempel der Khyra ist ein Teil der Arkanen Fakultät am Imperialen Institut zu Kronwall. Doch aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sich der Besuch lohnt und der Tempel sich keineswegs vor denen der Neun verstecken muss.
Es ist eine weite, achteckige Halle, deren Wände aus schwarzem Marmor mit unzähligen, violetten Runen bedeckt sind. Was diese Runen bedeuten, vermag niemand zu sagen, und mehr als ein Gelehrter ist schon bei dem Versuch, sie zu entschlüsseln, dem Wahn verfallen.
Wenn man einen der Priester nach ihnen fragt, bekommt man als Antwort lediglich ein schmales Lächeln und den Hinweis, nicht zu sehr darüber nachzudenken.
Aus jeder der acht Ecken verläuft ein pulsierender Energiestrahl durch den Boden. Diese Strahlen lassen einem die Füße kribbeln, wenn man auf ihnen steht und sie laufen alle in der Mitte des Raumes zusammen, wo eine lebensgroße Statue der Göttin steht.
Ihr Abbild hat dabei nichts vor den Gläubigen zu verbergen. Sie präsentiert sich ihnen vollkommen unbekleidet, bis auf die Runen, die ihren ganzen Körper und die gefiederten Schwingen, die aus ihrem Rücken wachsen, bedecken. Selbst um ihren Kopf kreisen diese und hüllen die Statue in ein mystisches Licht.
Auch die Bedeutung dieser Runen ist für den menschlichen Verstand nicht zu entschlüsseln, selbst wenn sie sich nicht ständig verändern würden. Wenn man ihr Abbild zu lange betrachtet, erleidet man schnell einen starken Anfall von Kopfschmerzen. Es ist offensichtlich, dass die Geheimnisse. die auf ihren Körper geschrieben sind, nicht für uns Sterbliche gedacht sind.
“Die geheime Göttin der Magie” – eine Abhandlung von Professor Heinrich Hillebrand, Lehrstuhl für Runenschrifft in der Arkanen Fakultät des Imperialen Instituts zu Kronwall, 1143 n. Trä.